Unwirksamkeit eines Zetteltestaments

UNWIRKSAMKEIT EINES "ZETTELTESTAMENTS"

In der erbrechtlichen Praxis sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit von privatschriftlich errichteten Testamenten nicht selten.
 
Das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament stellt zwar für den Testierenden die zunächst günstigste, jedoch auch die risikoreichste Möglichkeit dar, seinen letzten Willen niederzulegen. Dabei werden oftmals Förmlichkeiten, die das Gesetz vorschreibt, aus Unwissenheit nicht beachtet.
 
Bereits bei einer ungewöhnliche Art der Testamentserrichtung können Zweifel bestehen, ob der Testierende bereits einen abschließenden Willen hatte, ein Testament errichten zu wollen oder ob es sich lediglich um einen Entwurf handelte.
 
Über einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht Hamm Ende November 2015 entschieden:
 
Die im Alter von 102 Jahren verstorbene Erblasserin, die Eigentümerin eines Hausgrundstücks im Wert von rund 140.000 Euro war, hatte im Jahr 1986 zwei Schriftstücke gefertigt. Bei einem dieser Schriftstücke handelt es sich um einen ca. 8 x 10 cm großen, per Hand ausgeschnittenen Zettel mit folgender handschriftlicher Aufschrift: „Tesemt … Haus… Das für Josef“. Unter dieser Aufschrift befinden sich die Jahreszahl 1986 sowie deren Unterschrift mit einem vorangestellten, nicht sicher lesbaren weiteren Buchstaben. Bei dem zweiten Schriftstück handelt es sich um ein mehrfach gefaltetes Stück Papier, das der Beschaffenheit von Butterbrotpapier entspricht. Auf diesem befinden sich die gleichen Worte, wie auf dem anderen Schriftstück, allerdings in leicht abgewandelter Anordnung. Ferner ist auf diesem Schriftstück ein kleiner Schlüssel mit einem Klebefilm befestigt. 
 
Unter Berufung auf diese Schriftstücke, die mit diversen unwichtigen und wichtigen Unterlagen ungeordnet in einer Schatulle aufgefunden worden waren, beantragten die Enkel der Erblasserin einen Erbschein. Sie meinten, die Schriftstücke seien Testamente mit einer Erbeinsetzung zugunsten ihres vorverstorbenen Vaters Josef, an dessen Stelle sie als Miterben zu gleichen Teilen getreten seien.
 
Sowohl das Amtsgericht wie auch das Beschwerdegericht lehnten den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins mit der Begründung ab, es könne bereits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schriftstücken um Testamente der Erblasserin handelt. Zweifel am Vorliegen eines ernstlichen Testierwillens ergäben sich schon aus dem Umstand, dass die vermeintlichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, wie zum Beispiel einem Blatt Papier in üblicher Größe (DIN A 4 oder DIN A 5), sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen Pergamentpapier errichtet wurden. Weitere Zweifel ergäben sich aus der inhaltlichen Gestaltung der Schriftstücke, deren Überschrift „Tesemt“ gravierende Rechtschreibfehler enthalte und die nicht in einem vollständigen Satz verfasst worden seien, obwohl die Erblasserin der deutschen Sprache auch in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig war.
 
Gegen die ernstliche Absicht der Erblasserin, mit den Schriftstücken eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, spreche auch der Umstand, dass sie dann im gleichen Jahr zwei nahezu identische Testamente errichtet hätte, wofür kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich sei. Das Vorliegen zweier inhaltsgleicher Schriftstücke auf ungewöhnlichen Schreibunterlagen spreche vielmehr dafür, dass es sich hierbei lediglich um schriftlich dokumentierte Vorüberlegungen oder Entwürfe handele.
 
Schließlich lasse auch die dauerhafte Verwahrung der Schriftstücke nicht notwendig auf einen ernsthaften Testierwillen beim Verfassen der Schriftstücke schließen.
 
Die formal und inhaltlich sicherste Alternative zum privatschriftlichen Testament stellt immer noch die Errichtung eines notariellen Testaments dar. Dieses ersetzt im Erbfall den ansonsten notwendigen Erbschein und kostet in der Regel nicht mehr.
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